Der Fall

Am Ende war es nur ein Zufall, dass der Betrug von VW aufflog. Wissenschaftler des damals eher unbekannten International Council on Clean Transportation (ICCT) hatten Dieselfahrzeuge auf dem Prüfstand und auf der Straße getestet – und dabei erhebliche Abweichungen der Stickoxid-Emissionen festgestellt. Abweichungen, die auch VW nicht zufriedenstellend erklären konnte.

Darum wurde der Fall an die US-Umweltbehörde EPA weitergeleitet. Die ermittelte bis VW am Ende zugeben musste, mit einer Manipulationssoftware die Abgaswerte geschönt zu haben. Und so funktionierte der Schwindel:

Durch die Software konnten die VW-Diesel-Modelle erkennen, ob sie auf einem Prüfstand oder auf der Straße unterwegs sind. Wenn die Räder sich drehten, aber das Lenkrad nicht, schaltete das Auto automatisch in den Sauber-Modus. Betroffen sind alle TDI-Motoren der Baureihe EA 189, darunter ein 3-Zylinder-Motor mit 1,2 Liter und zwei 4-Zylinder-Motoren mit 1,6 Liter und 2,0 Liter Hubraum umfasst. Die Aggregate sind TDI-Common-Rail-Motoren mit Abgasnorm Euro 5. Der kleine 1,2-Liter-Motor ist nicht sehr oft verbaut worden, die beiden anderen Motoren sind aber Volumenmodelle.

Möglich sind die Manipulationen dieser Dieselmotor an verschiedenen Stellschrauben. Da ist zum einen der Verbrennungsprozess: von der Menge des eingespritzten Diesels, dem Zeitpunkt und Winkel der Einspritzung und der Luftmenge pro Verbrennungstakt hängt ab, wieviel Diesel ein Auto verbrennt und wie viele Schadstoffe es dabei produziert. Durch eine Abgasrückführung, bei der Abgase statt Frischluft herangezogen wird, kann der Stickoxid-Ausstoß zusätzlich verringert werden - allerdings auf Kosten der Leistung. Da auf dem Prüfstand keine Spitzengeschwindigkeiten gefahren werden, wäre eine Manipulation hier besonders einfach.

Aber auch bei den Systemen, die Abgase reinigen, gibt es Möglichkeiten der Manipulation. Um die gasförmigen Stickoxide herauszufiltern setzen die Hersteller auf verschiedene Technologien.

Bei den manipulierten Dieselmodellen setzte VW in einigen Modellen auf einen Stickoxid-Speicherkatalysator, ein sogenanntes LNT-System. Ein System, das im Grunde wie ein Schwamm funktioniert - die Speicherkapazität hängt von seiner Größe ab. Ist der Speicher voll, muss er regenerieren, andernfalls strömen die Stickoxide ungefiltert aus. Die Regeneration bei geringen Geschwindigkeiten erhöht allerdings den Verbrauch und damit auch die CO2-Emissionen, da zusätzlicher Treibstoff eingespritzt werden muss. Hier könnten die VW-Ingenieure auch in Europa getrickst haben, indem der Speicher-Kat erst bei höheren Geschwindigkeiten zugeschaltet wurde.

Ein anderes System kommt in den jüngeren 2.0-Liter-Dieselmotoren zum Einsatz, beispielsweise im Passat. Hier wird das Stickoxid durch einen Harnstoff-Katalysator, ein so genanntes SCR-System, herausgefiltert. Das System gilt als sauber, hat allerdings auch ein paar Tücken. Denn zum einen ist der Harnstoff-Katalysator die teurere Lösung. Zum zweiten gilt sie auch als unpraktisch: Die Hersteller wollen vermeiden, dass die Kunden Adblue selbst nachfüllen müssen. Sie müssen abwägen, wie groß der Tank sein darf, um zusätzliches Gewicht an Bord zu vermeiden und wie viel Harnstoff am Ende eingespritzt werden soll.

Für den anstehenden Rückruf ist nun wichtig, wie VW die bestehenden Technologien nutzen will, um die Emissionen auf ein gesetzliches Niveau zu bringen. Physische Umbauten an den Abgasreinigungssystemen könnten den Rückruf deutlich teurer machen.


Infografik: So funktioniert die Abgasreinigung beim Diesel