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Star Trek: The Battlefield

Wer ist der coolere Captain der Enterprise - Kirk oder Picard?

Über diese Frage haben San-Francisco-Korrespondentin Britta Weddeling und Christian Rickens, Ressortleiter Agenda, live und leidenschaftlich gestritten.

Kirk

Kirk

Britta: "Kirk ist ein reaktionärer, einfältiger Macho!"

Picard

Picard

Christian: „Ein Langweiler wie Picard kann es nur dank einer Franzosenquote auf die Kommandobrücke eines Raumschiffs geschafft haben.“

Christian Rickens

Christian :

Star Trek wird 50. Untrennbar damit verbunden die Frage: Wer ist eigentlich der einzig wahre Kapitän der Enterprise? James T. Kirk oder Jean-Luc Picard. Wobei: Welche Frage eigentlich? Kirk natürlich!

Britta Weddeling

Britta:

Guten Tag, oder besser “Guten Abend”. Bei mir ist in Kalifornien es ja erst 14.00, bei Dir schon 23.00, kann sein, dass Du deshalb auf solche Ideen kommst. Keine Frage: Jean-Luc Picard.

Christian Rickens

Christian :

Und gleich sagst Du mir, dass Timothy Dalton der einzig wahre Bond war. Aber mal ernsthaft: Was kann an Picard und seiner Next Generation spannend sein, wo jeder Konflikt ausdiskutiert wird und die einzige echte Action künstlich im Holodeck erzeugt werden muss?

Britta Weddeling

Britta:

Gut, dass Du James Bond erwähnst. Zeigt doch die aktuelle Entwicklung, dass die Figur mit Daniel Craig erfolgreich ist wie nie, dass die Menschen dieser Figur nur dann glauben, wenn sie authentisch ist. Daniel Craig steht dafür, dass der Actionheld eben nicht perfekt ist, sondern menschliche Schwächen hat und sie auch zeigt. Das er eigentlich ein bisschen wie wir alle ist. Jean-Luc Picard wuchs in der französischen Pampa auf, in einfachen Verhältnissen, er ist Sohn eines Weinbauern. Er hat sich nach oben gekämpft und ist ein Selfmade-Kapitän. Kirk hingegen wuchs in einer Familie auf, die schon Rang in der Sternenflotte besaß, sowohl Vater als auch Mutter. Für ihn gab es da keine Probleme. Die Geschichte hinter Picard ist einfach glaubhafter. Den Trend zum authentischen, verletzlichen Helden sehen wir auch in anderen Blockbuster, nämlich zu Beispiel der großartigen Batman-Reihe von Christopher Nolan.

Christian Rickens

Christian :

Ok, fertig? Diese langatmige Begründung könnte ja eins zu eins ein Dialog aus Next Generation sein. Klar, wenn es bei der Sterneneflotte eine Franzosenquote gäbe, wäre Picard sofort ganz oben. Aber spätestens seit “The right stuff” wissen wir: Bei Raumschiffkommandeuren geht es nicht nach Proporz, Du brauchst Mut und Rückgrat. Kirk, der ewige Rebell, hat es. Picard nicht. Oder wie sonst erklärst Du, dass Kirk einen wie Spock als Sidekick hat und Picard diesen unsäglichen Commander Dingsda Riker? „A people hire A people, B people hire C people!”

Britta Weddeling

Britta:

Mag sein. Aber was die Krawallbereitschaft angeht: Picard hat sich bei diversen Themen mit der Föderation angelegt, unter anderem, als er gegen den ausdrücklichen Auftrag verstößt, die berühmte Oberste Direktive der Nichteinmischungspolitik. Er führt in “Der Aufstand” eine Rebellion gegen seine Chefs an. Später kommt raus, er hatte Recht. In der gleichen Folge verliebt er sich übrigens in eine Frau, die viel älter ist als er und zu einem Volk gehört, das wegen einer speziellen Substanz in der Luft länger lebt als andere. Sie ist um die 200 Jahre alt, die Schauspielerin schätzungsweise Mitte Fünfzig. Ein weiterer Pluspunkt für Picard. Er kann es aushalten, wenn eine Frau mehr weiß als er, was ich sehr sympathisch finde. Da ist er ganz anders als Kirk, der überwiegend Affären mit jüngeren Frauen hat. Ganz schön boring.

Christian Rickens

Christian :

Kirk knutscht in der Episode “Platos Stiefkinder” mit Leutnant Uhura, einer der ersten Fernsehküsse zwischen einer Afroamerikanerin und einem Weißen überhaupt. Und im Unterschied zu Picard und seinen ganzen verhuschten Urscheln glaubt man Kirk und Uhura auch sofort, dass beide richtig Spaß bei der Sache hatten. DAS war die wahre TV-Revolution!

Britta Weddeling

Britta:

Und wie viele Sprachanteile hat Nyota Uhura in der TV-Show insgesamt? Zero! Sie darf ein paar Aufträge erfüllen und von ihrer Rolle bleibt – auch bei Dir – nur das absolutes Klischee hängen. Tasha Yar war da schon von ganz anderem Kaliber. Sie ist auf der Enterprise unter Picard eine echte Kriegerin und hat eine kurze Affäre mit Data, dem Androiden. DAS ist eine Revolution, insbesondere weil sie zukunftsweisend ist. Schließlich beschäftigt uns bis heute, welches Verhältnis wir zu Robotern und Maschinen besitzen.

Christian Rickens

Christian :

Affären mit 200 Jahre alten Frauen. Affären mit bleichen Robotern. Ne, ist klar, das sind die Plots, die Hollywood groß gemacht haben! Versteh doch bitte: Es geht hier nicht um Konzeptkunst, sondern um Unterhaltung. Und ich kann nur sagen: Auch 35 Jahre nachdem ich salamibrotessend vor dem Fernseher saß und die ersten Enterprise-Folgen gesehen habe, kann ich mich an Uhura und ihr sexy Minikleid bestens erinnern.

Britta Weddeling

Britta:

Du findest Klischees unterhaltsam?

Christian Rickens

Christian :

Bisweilen ja … von den Frauen bei Next Generation weiß ich nur noch, dass alle diese komischen Aerobic-Anzüge trugen.

Britta Weddeling

Britta:

Und Minikleider? Alter Schwede!

Christian Rickens

Christian :

Na ja, da war ich ungefähr zehn. Meine Wim-Wenders-Phase kam später.

Britta Weddeling

Britta:

Ich finde, Dir würde ein Minikleid auch sehr gut stehen.

Christian Rickens

Christian :

Dieses Kompliment kann ich nun leider nicht zurückgeben, denn das wäre dann sofort Sexismus.

Britta Weddeling

Britta:

Der Mann der Moderne hat es eben schwer. Life is a bitch and then you die. Das ist sicher der Grund, warum Männer Kirk so toll finden. Er verkörpert die Good old times, in denen der Mann noch das Zentrum des Universums war. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Christian Rickens

Christian :

Ja, verdammt! Und es war eine lustige Zeit. Was gab es bei Kirk nicht alles zu lachen, allein die Episode mit den kleinen flauschigen Wesen, die sich rasend schnell vermehrten, wie hießen sie noch? … Genau: Tribbles. Bei Picard war nie etwas ironisch, da lasten auf jeder Dialogzeile 50 Tonnen intellektueller Überbau. Kirk ist besser als Picard aus demselben Grund warum “House of Cards” auch besser ist als “Westwing”. Das Leben ist nun mal nicht so, wie man es sich in Pädagogenhaushalten konstruiert. Es ist dreckig, gefährlich, ungerecht und im besten Fall hat man trotzdem Spaß daran. Oder gerade deshalb.

Britta Weddeling

Britta:

Was gab es bei Picard nicht alles, die ersten Tablet-Rechner, Facetime (er konnte eins zu eins mit den Klingonen sprechen - übrigens konnte er auch ein wenig Klingonisch), Mini-Kommunikatoren, mit denen Picard und die Crew sich über weite Entfernung unterhalten konnten. Das war alles sehr fortschrittlich und außerdem extrem optimistisch – gerade was die Rezeption von Technologie anging. Neue Technologien wurden grundsätzlich erstmal als eine positive Entwicklung betrachtet und nicht aus purer Unkenntnis verteufelt, ich finde das sehr positiv. Zum Thema „Das Leben ist nun mal nicht so”: Kein Kapitän der Sternenflotte musste so viel leiden wie Picard, da kann man als Beispiel nur die Entführung durch die Borg nehmen, jene Spezies, die alles assimilieren und in ihr “Kollektiv” integrieren will, die mit dem leuchtenden roten Auge. Das war eine sehr persönliche, wahnsinnig emotionale Situation. Oder, als Picard auf seinen eigenen Klon / Sohn trifft in “Nemesis”. Das berührt grundsätzliche Themen, die viel mit dem Leben ganz normaler Menschen zu tun haben, zum Beispiel in Pädagogenhaushalten überall auf der Welt.

Christian Rickens

Christian :

Fünf Fleißpunkte für Picards Sprachkenntnisse. Fünf Fleißpunkte für seine Nehmerqualitäten. Aber was das Vorwegnehmen von Technologie betrifft: Kirks „Communicator” lieferte die Designvorlage für eine ganze Generation von Klappdeckelhandys. 30 Jahre, nachdem sie in der Fernsehserie aufgetaucht waren. Wann gibt es das schon mal: Filmrequisite formt die Wirklichkeit? Bei Next Generation flüchtet man sich stattdessen in die cleane Postmoderne des Holodecks, spielt Chicago-Gangster oder Segelschiff-Offizier. Das Leben tobt derweil anderswo.

Britta Weddeling

Britta:

Nun ja, die Klapphandys haben sich ja langfristig nicht wirklich durchgesetzt. Heute baut die Branche jene Tablets und Touchscreens, wie sie eben Picard benutzt. Was die Spiele auf dem Holodeck angeht: Irgendwer hat mal gesagt: Um zu wissen, mit welchem Menschen man es zu tun hat, muss man ihn nur dabei beobachten, wie er spielt. Außerdem sind Segelschiffe und die ganze Crew der Enterprise im Ambiente der 20er Jahre einfach auch sehr toll anzusehen. Picard trägt, glaube ich, einen weißen Hut.

Christian Rickens

Christian :

Über seiner Glatze. Oh Gott, dass darf man wahrscheinlich auch nicht schreiben, weil bereits Hinweise auf Picards Haarausfall gegen die ungefähr 753 Political-Correctness-Gebote bei Next Generation verstoßen. Mein letztes Argument für Kirk: Der ganze Next-Generation-Kosmos zeigt uns doch, wie surreal unser Weltbild um die Jahrtausendwende war. "End of History" und so. Ich habe derzeit jedenfalls das Gefühl, dass die Klingonen eher doch nicht unsere Freunde sind und ein paar Photonentorpedos in der Hinterhand nicht schaden können.

Britta Weddeling

Britta:

Surreal ist doch ein Markenzeichen von Jahrhundertwenden. Da muss man sich nur mal die Künstler, die Autoren und Musiker des Fin de siècle ansehen. Es war eine extreme Zeit. Gleichzeitig war sie unglaublich produktiv und eine Hochphase des ästhetischen und politischen Diskurses. Es gibt kaum eine Zeit, in der die Debatte so verdichtet ist. Die Klingonen, nun, da ist es wohl so wie mit allen Koalitionen und machtpolitischen Entscheidungen. Frieden schließt man nicht mit Freunden, sondern mit seinen Feinden. Und die anderen, wie etwa die Romulaner, das sind die mit den Schiffen, die sich perfekt tarnen können, da weiß keiner, was wirklich dahinter steckt. Dennoch muss man irgendwie mit ihnen zurechtkommen. Aber jetzt wird es doch sehr politisch. Wir wollten doch eigentlich nur über Kirk vs. Picard sprechen!

Christian Rickens

Christian :

Das haben wir ja jetzt auch. Mein Kumpel James T. und ich gehen jetzt ein paar Runden Ego-Shooter spielen. Und Du kannst mit Deinem Jean-Luc Tofubällchen naschen und wetteifern, wer von Euch mehr Fremdwörter kennt.

Britta Weddeling

Britta:

Machen wir – und natürlich trinken wir dabei Earl Grey – heiß.

Christian Rickens

Christian :

Und wir Jim Beam - on Ice.